Sanathana Sarathi 9/2021 Dr. G. S. Srirangarajan
Ich habe diesem Artikel die Überschrift „Sai – unsere einzige Zuflucht” gegeben, denn ich dachte, dies sei in der heutigen Zeit das wichtigste Thema. Auf welche Weise sollen wir uns in dieser beispiellosen Situation, die wir alle auf dem Planeten Erde erleben, an Bhagavans Lotosfüßen festhalten? Lasst mich damit beginnen, Bhagavan zu zitieren, denn seine Worte werden den passenden Rahmen für diesen Artikel bilden.
Vergiss Gott niemals
Was für Wohlstand und Reichtum du auch immer erwerben magst, was für Annehmlichkeiten und welchen Luxus du genießen magst, ob die Leute dich als Verrückten schmähen oder dich loben– unter keinen Umständen darfst du Gott jemals vergessen. Es gibt nur einen Gott.
Ob böse Leute dich kritisieren oder du unbescholten bleibst, was für Schwierigkeiten dir auch begegnen mögen und was für Krankheiten dein Körper auch haben mag – unter keinen Umständen darfst du Gott jemals vergessen. Es gibt nur einen Gott.
Du magst Yoga praktizieren, heilige Menschen (Bhagavatas) aufsuchen, von den Anderen als Gelehrter gepriesen oder als Sünder verdammt werden – unter keinen Umständen darfst du Gott aufgeben. Es gibt nur einen Gott.
Was für eine Bildung du dir auch aneignen, was für eine Gelehrsamkeit du auch erlangen magst, sei nicht stolz darauf. Sei immer demütig und erkenne die Wahrheit, dass es nur einen Gott gibt. Gib deinen Glauben an Gott niemals auf.
Ich bin sicher – wenn Bhagavan dieses Gedicht unter den heutigen Umständen gesungen hätte, dann hätte er eine Zeile hinzugefügt: „Gleich, ob das Corona-Virus kommt und dich in Mitleidenschaft zieht oder ob du dich mit Mukormykose infizierst, vergiss Gott niemals. Es gibt nur einen Gott.“
Rama und Hanuman
Hanuman hat eine ganz besondere Beziehung zu Swami. Ich möchte einen Lieblingsvers von Hanuman anführen, den Bhagavan auch häufig zitiert hat. Dieser Vers wird die Struktur dieses Artikels bestimmen. Als Rama Hanuman einst fragte: „Welcher Art ist deine Beziehung zu mir?“ war dies Hanumans Antwort: Hanuman sagte: „Herr, über meine Beziehung zu dir bin ich mir völlig im Klaren:
Dehabuddhyaa Tu Dasoham – als Körper bin ich dein Diener.
JivabuddhyaTavanshaka – als Geist bin ich ein Funke von dir.
AtmabuddhyaTvamevaham – als Seele bin ich eins mit dir.“
„Wenn ich denke, ich sei der Körper und mich mit diesem Körper assoziiere, dann bin ich dein Diener, dein Instrument. Assoziiere ich mich mit meinem Geist, dann bin ich dein Funke, ich bin deine Widerspiegelung, dein Schatten. Assoziiere ich mich aber mit meinem wahren Selbst, dann sind Du und Ich, Ich und Du eins!“ Bhagavan führte diesen Vers oft an und sagte, ein Devotee solle auf diese Art und Weise zu Bhagavan in Beziehung treten.
Auf jeder dieser Ebenen gibt es eine Pflicht, eine Verantwortung, eine Vorschrift, die jeder DevoteeBhagavans zu erfüllen hat, besonders in Zeiten der Pandemie.
Als Körper bin ich dein Diener
„Swami, ich verstehe all diese höhere Philosophie nicht. Ich glaube, dass ich dieser Körper bin. Vielleicht ist das eine Illusion, aber mir geht es gut damit. Als dieser Körper bin ich dein Werkzeug. Ich bin dein Diener. Was soll ich also tun?“ Die Antwort liegt in Bhagavan selbst. Er ist Sri Sathya Sai (SSS).
Im Namen Sri Sathya Sai (SSS) bezieht sich das erste „S“ auf die körperliche Ebene und steht für Seva (selbstloser Dienst). Mit was für einer Art von Dienst sollten wir uns befassen? Bhagavan stellt ausdrücklich fest, dass im Leben beides äußerst wichtig ist: die menschliche Anstrengung (manushaprayatnam) und die Gnade Gottes (daivaanugraham). Wir dürfen nicht zu Hause sitzen und immer nur wiederholen: „Swami wird es richten, Swami wird es richten.“ Während der Pandemie verstoßen einige Devotees fälschlicherweise gegen alle Covid-Vorschriften. Sie tragen keine Masken, halten keinen Abstand zu anderen und sagen: „Swami wird es richten.“ Wenn am Ende irgendetwas Schlimmes passiert, geben wir Swami die Schuld. So geht es nicht! Bhagavan hätte niemals von uns erwartet, dass wir die Gesetze des Landes missachten und die Vorschriften nicht befolgen würden, die von der wissenschaftlichen Gemeinschaft erstellt worden sind. Darum sollten wir alles, was auf der menschlichen Ebene getan werden sollte, auf jeden Fall tun. Wir sollten uns streng an die Covid-Vorschriften halten wie das Abstandhalten, Maskentragen, uns impfen lassen etc.Dabei sollten wir aber immer daran denken, dass diese Maßnahmen nur mit Gottes Gnade wirksam sind. Menschliche Anstrengung und Gottes Gnade gehen immer Hand in Hand.
Krishna und Arjuna
Viele sitzen einfach da und beten, ohne selbst irgendetwas zu tun. Das ist definitiv nicht die richtige Einstellung. Lasst uns nun zum Beispiel jemanden betrachten, der glaubte, er könne alles selbst tun und brauche Gottes Gnade nicht. Das ähnelt der Einstellung die viele von uns haben. Sie meinen, sich impfen zu lassen werde alle unsere Probleme lösen. (Sie denken etwa so:) „Ich habe ja einen Arzt zum Freund und kann jederzeit in sein Krankenhaus kommen und mich von ihm behandeln lassen. Also bin ich auf der sicheren Seite.“ Das ist nützlich, aber unzureichend. Wenn die Impfung oder die Medikamente wirken sollen, ist dafür auch Gottes Gnade erforderlich. Wie man sagt: Mediziner behandeln, aber Gott heilt.
Diese Geschichte handelt von einem der Pandava-Brüder, Arjuna. Für die Wahl von DraupadisBräutigam (svayamvara), hatte ihr Vater ganz einzigartige Bedingungen gestellt, die jener zu erfüllen hatte, der Draupadis Hand gewinnen wollte. Worin bestand die Aufgabe? Von demjenigen, der sie zur Braut haben wollte, wurde erwartet, dass er einen Pfeil genau in ein vorgegebenes Ziel schießen kann. Aber so einfach war es nicht. Das Ziel bestand aus einem Goldfisch, der an einem sich drehenden Rad befestigt war. Der Bogenschütze sollte den Pfeil so lenken, dass er genau das Auge des Fischs durchbohren würde. Aber das war noch nicht alles. Um die Sache noch komplizierter zu machen, sollte der Bogenschütze nicht direkt auf den Fisch zielen können. Stattdessen sollte er nur das Abbild des Fisches sehen, das sich in einer flachen Schale Wasser widerspiegelte, die darunter stand. Er sah also die Widerspiegelung des sich ständig drehenden Rades, an dem der Fisch hing und sollte einen Pfeil abschießen, der exakt das Fischauge traf! Wahrhaftig eine gewaltige Aufgabe! Nicht aber für den großen Bogenschützen Arjuna!
Nachdem viele der Prinzen, die sich beworben hatten, an der enorm schwierigen Aufgabe gescheitert waren, gab Krishna Arjuna ein Zeichen, er solle hervortreten. Arjuna war sich seines Sieges vollkommen sicher und trat kühn hervor. Krishna winkte ihn zu sich heran und sagte: „Sei unbesorgt, du hast meine Gnade. Geh hin!“ Das amüsierte Arjuna, denn er glaubte nicht, dass eine so simple Aufgabe der Gnade Gottes bedürfe. Er meinte, für ihn sei es ein Kinderspiel! Krishna wusste was Arjuna dachte und erklärte: „Arjuna, ich weiß, dass du ein ausgezeichneter Bogenschütze bist. Geh hin und tue was du kannst. Ich werde das tun, was du nicht kannst.“ Arjuna war verwundert. Mit gefalteten Händen fragte er Krishna: Herr, was ist es, das ich nicht tun kann?“ Krishna antwortete: „Arjuna, du gibst damit an, du könntest mit Leichtigkeit das Auge eines rotierenden Fisches treffen, selbst wenn du dabei nur auf sein Spiegelbild schaust. Doch angenommen, es macht sich ein starker Wind auf, der das Wasser kräuselt. Wie solltest du dann ein klares Spiegelbild sehen können? Liegt es in deiner Macht, den Wind zu beherrschen? Alle Elemente unterstehen meiner Herrschaft. Ich werde dafür sorgen, dass sich kein Wind aufmacht. Geh hin und sei siegreich!“ Arjunas Stolz war gebrochen.
Auf diese Weise müssen wir Hand in Hand mit Swami arbeiten. Wir tun was wir können, und Swami wird sagen: „Ja, ich bin bei dir. Komm, lass es uns gemeinsam tun!“ In dieser Einstellung sollten wir uns im selbstlosen Dienst engagieren. Sind wir Ärzte oder medizinisches Personal können wir an der Front stehen und den Patienten direkt helfen. Wenn nicht, können wir Hilfsdienste leisten, indem wir Patienten ins Krankenhaus bringen, Sauerstoffflaschen beschaffen oder dafür sorgen, dass die notwendigen Medikamente vorhanden sind. Es gibt so viele direkte oder indirekte Möglichkeiten, selbstlosen Dienst zu leisten! Wir können all das tun wozu wir imstande sind. Unser Herz muss angesichts des Leids unserer Mitgeschöpfe weinen. Wir sind nicht allein in dieser besonderen Herausforderung, vor die die Pandemie uns gestellt hat. Mit Swami an unserer Seite kämpfen wir alle dagegen an. Wir müssen unseren Brüdern und Schwestern helfen. Der Körper des Menschen ist dazu da, Anderen Gutes zu tun (paropakararthamidamsharīram). Wenn wir uns nicht in irgendeiner Weise in selbstlosem Dienst engagieren, bleiben wir etwas schuldig. Wenn doch so viele sterben – warum sind wir noch am Leben? Warum hat Gott uns dieses Leben geschenkt? Es gibt einen höheren Sinn und Zweck und wir sollten auf diesen Aufruf zu selbstlosem Dienst antworten.
Gottes Gnade auf sich ziehen
Was geschieht wenn wir selbstlosen Dienst leisten? Wir ziehen die Gnade Gottes auf uns herab. Bhagavan sagt es mit so einfachen Worten. Er sagt: „Meine Gnade ist immer da. Ihr braucht Gott nicht speziell darum zu bitten, seine Gnade über euch auszuschütten. Meine Gnade ist wie die Luft oder der Wind, der immer weht. Doch wie man auf dem Segelboot die Segel zu setzen hat, um die Windkraft einzufangen und das Boot zu navigieren, so müsst auch ihr die Segel eures Geistes ausrollen, um meine Gnade zu bekommen.“ Das Segel eines Segelschiffs nimmt die potentielle Kraft des Windes auf, konvertiert sie in kinetische Energie und treibt das Schiff voran.
Um den ständig vorhandenen Wind Seiner Gnade auf uns zu lenken, müssen wir die Segel unseres Lebensbootes setzen, was ein symbolischer Ausdruck für das Tätigwerden (Karma-Handeln) ist, insbesondere für das Engagement in selbstlosem Dienst (Seva). Wir haben gehört, wie Bhagavan sagte: Wann immer Gott kommen muss, um eine/n Devotee zu retten bzw. ihn/sie vor irgendeiner Katastrophe zu schützen, überprüft Bhagavan auf Grund der dharmischen Gesetze das Lebenskonto dieser Person und hält Ausschau nach irgendeiner kleinen guten Tat, die er/sie vollbracht hat welche die Intervention der göttlichen Gnade rechtfertigt. Ansonsten mischt Gott sich niemals in unser Leben ein. Er hat uns dieses Leben geschenkt mit vollkommener Freiheit und völliger Demokratie. Was auch immer uns begegnet ist die Folge unserer eigenen Handlungen. Wir leben, wir handeln, wir genießen, wir leiden. Haben wir auf Grund irgendeiner negativen Handlung negative Konsequenzen bewirkt, werden wir im Leben auch mit deren bitteren Folgen konfrontiert. In solchen Momenten schreien wir nach Gott, aber auch Gott benötigt einen triftigen Grund, um intervenieren und den Devotee vor den bitteren Konsequenzen, die er selbst auf sich geladen hat, retten zu können. In welchem Fall wird der dharmische Schöpfungsplan Bhagavan erlauben, in das Leben eines Devotees einzugreifen und vor schlimmen Konsequenzen zu schützen? Wenn sich derDevotee in selbstlosem Dienst engagiert hat, zieht er dadurch Gottes Gnade auf sich herab. Akte der Freundlichkeit, selbstloser Dienst, Liebe und Mitgefühl mit Anderen dienen als triftige Gründe für den göttlichen Eingriff in unser Leben. Das klassische Beispiel dafür ist die Szene, in der Krishna Draupadi segnet, indem er ihr Ballen von Saris zukommen lässt als Gegengabe für ein kleines Stück Stoff, das sie bei einer Gelegenheit von ihrem Sari abriss, um Krishnas blutenden Finger zu verbinden.
Drei Arten göttlicher Gnade
Im Jahre 1994 gab Bhagavan eines Abends in Kodaikanal im Laufe einer Ansprache einige unermesslich wertvolle Botschaften, die sehr wichtig sind für das Thema, das wir hier abhandeln. An jenem Abend sprach er über die Gnade Gottes. Swami sagte, Gott mische sich niemals in das ein, was inder Schöpfung geschieht, er mische sich auch niemals in das Karma Einzelner ein. In was für gute oder schlechte Situationen Menschen auch immer geraten – es sind die Folgen ihrer Handlungen in diesem oder früheren Leben. Doch durch unser Gebet und selbstloses Dienen ziehen wir die Gnade Gottes auf uns herab. Auf welche Weise wirkt diese Gnade? Bhagavan führte drei Beispiele an über die Art, wie Gottes Gnade wirkt.
Die erste – Wenn ein Arzt eine Operation ausführt, versetzt er den Patienten in Narkose, um sicherzustellen, dass der Patient keinen Schmerz verspürt. Gleichermaßen wirkt Gottes Gnade wie eine Anästhesie, die den Schmerz unterbindet, wenn jemand die bitteren Konsequenzen einer Handlung (Karma) durchzumachen hat. Zieht der Devotee Gottes Gnade auf sich, wirkt diese wie eine starke Dosis Chloroform. Er wird die Konsequenzen durchmachen, aber keine Schmerzen dabei empfinden. Situationen und Umstände werden so annehmbar gestaltet, dass der Einzelne reibungslos durch die Schwierigkeit hindurchgeht.
Die zweite – Die meisten Medikamente sind mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen. Wenn dieses überschritten ist, soll man die Medizin nicht mehr einnehmen. Doch selbst wenn sie in manchen Fällen danach doch noch eingenommen wird, wird sie einem nicht schaden, aber auch nicht helfen. Nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum bleiben die Medikamente wirkungslos. Sie verlieren ihre Kraft und hinterlassen deshalb nicht die gewünschte Wirkung im Körper. Bhagavan erklärte es so: Wenn ein Devotee Gottes Gnade auf sich gezogen hat, würde Gott die karmischen Folgen umdatieren, sodass der Devotee das Karma wohl durchmachen müsse, aber sozusagen nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums, und deshalb würde er die negativen Folgen nicht spüren.
Die dritte – Über diese beiden Arten hinaus gibt es eine dritte Art und Weise, wie Gottes Gnade wirkt. Bhagavan nannte dies die „spezielle Gnade“ (tilodayaka). Um sie zu erläutern gebrauchte er eine Analogie. Er erklärte es so: Wenn ein Lehrer die Prüfungsarbeiten der Studenten bewertet, wird er besonders auf die Studenten achten, die in Gefahr sind durchzufallen, weil sie möglicherweise weniger als das Standardmaß 40 von 100 Punkten erreichen. Wenn der Lehrer nun die Arbeit eines Studenten bewerten soll, der nur 39 der 40 benötigten Punkte geschafft hat – was soll er tun? Der Prüfer wird eine Weile nachdenken: Ist meine Beurteilung so perfekt? Kann ich den Studenten wirklich durchfallen lassen? Könnte ich ihm nicht einen zusätzlichen Punkt geben? In dieser Situation wird der Prüfer unwillkürlich andere Seiten dieses Studenten in Betracht ziehen. Was für ein Student ist er? Verhält er sich im Unterricht sehr diszipliniert? Ist er Swami sehr ergeben? Hat er alle Bedingungen und Vorschriften unseres Schulungssystems ernsthaft befolgt? Hat er oft selbstlos gedient und seinen Mitschülern geholfen? Wenn die Antwort auf alle diese Fragen „Ja“ ist, wird der Lehrer es gerechtfertigt finden, ihm einen Punkt mehr zu geben und ihn bestehen zu lassen. Bhagavansetzte dies mit Tilodayaka, der speziellen Gnade, gleich. Swami ist bereit, diese Option anzuwenden, um jemanden zu retten, aber er hält Ausschau nach einer selbstlosen Tat des Devotees, nach einem besonderen Akt des Mitgefühls, den er vollbracht hat.
Darum ist es äußerst wichtig, sich so oft und viel wie möglich in selbstlosem Dienst zu engagieren – nicht nur um anderen zu helfen, sondern zu unserem eigenen Nutzen!
(Fortsetzung folgt)
– Der Verfasser ist Associate Professor, Department of Management and Commerce, Brindavan Campus of Sri Sathya Sai Institute of Higher Learning.
Quelle: Sanathana Sarathi September 2021
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