Niemand kann die Geheimnisse der Schöpfung verstehen
Avatar bedeutet nicht, dass nur er allein die Göttlichkeit verkörpert. Ihr alle seid Avatare. Das Wort Avatar bedeutet, herabzukommen. Ihr seid alle herabgekommen. Es ist ein Irrtum, nur die (inkarnierte) Göttlichkeit als Avatar zu bezeichnen. Die Herabkunft des Göttlichen geschieht entsprechend der Notwendigkeit, der Zeit und der Umstände. Da die Inder an die Doktrin des Avatars glauben, bekam sie in Indien eine besondere Bedeutung. Das Erscheinen des Purnavatars, der Inkarnation des Göttlichen in seiner vollen Herrlichkeit, hat nur in Indien stattgefunden.
Die Bedeutung der Durchführung von rituellen Opferhandlungen
Hier in diesem Land werden regelmäßig Opferzeremonien (yajna) und Rituale (yāga) durchgeführt. Wenn während der vedischen Opferhandlungen Opfergaben dargebracht werden, werden durch die Kraft der Mantras Schwingungen erzeugt. Die Schwingungen und die Kräfte dieser großen Opferhandlungen breiten sich überall hin aus. Jeder bei den Opferhandlungen geäußerte Klang wird fest im Raum verankert und in allem in göttliche Essenz verwandelt.
Ein kleines Beispiel hierzu. Jemand singt in der Radiostation Delhi ein Lied, das aufgrund der Klangwellen im Raum unmittelbar im Radio in Kodaikanal empfangen wird. Die Physikstudenten sollten sich dies sehr gut merken. Die Klangwellen von Bangalore, Chennai, Mumbai und Delhi sind überall, aber sie treffen nicht aufeinander; sie sind voneinander getrennt. Sie befinden sich auch in diesem Raum, aber nur die Programme der Rundfunkstation die wir wählen erreichen uns, nicht die Programme der anderen Stationen. Es handelt sich um elektrische Wellen, sie sind dauerhaft und erlangen Kraft.
Jetzt könnte ein Zweifel aufkommen, warum Avatare nur in Indien geboren werden. Lasst mich euch eine kleine Frage stellen. Ein Zug besteht aus ungefähr 25 Waggons. Befindet sich der Fahrer in der Lokomotive oder in allen Waggons? Er ist nur in der Lokomotive, und weil alle Waggons angehängt sind, zieht die Lokomotive sie alle hinterher. Indien ist das Land, in dem regelmäßig Opferhandlungen und Rituale durchgeführt werden. Das Feuer der Opferhandlungen in der Feuerstelle (yajnakunda) gleicht dem Feuer im Heizkessel der Lokomotive. Indien ist die Lokomotive. Wenn die Länder mit Indien verbunden sind, dann sind sie sicher. Bricht die Verbindung ab, dann geraten sie in Schwierigkeiten. Das Feuer wird nicht in jedes Abteil gebracht und nicht in jedem Abteil ist ein Fahrer. Der Heizkessel und der Fahrer befinden sich nur in der Lokomotive.
Indien – das Heim der vedischen Kultur
Seit alten Zeiten ist Indien das Heim der vedischen Kultur gewesen. Außerdem ist Indien das Land, in dem erstmals in der Welt Operationen durchgeführt wurden. Bharadvāja Mahārishi war der Begründer der Operation. Auch das Ingenieurwesen hat seinen Ursprung in Indien. Philosophie stammt ebenfalls aus Indien, und auch die Mathematik hat ihren Ursprung in Indien. Sie wurde nach Rom gebracht, von wo sie sich in alle Länder der Welt verbreitete. In Rom befinden sich Tempel von Vighneshvara. Die Zahlen 0,1,2, 3…10 hatten in Indien ihren Ursprung und wurden später über die lateinische Sprache in andere Länder gebracht.
Viele junge Einwohner von Indien glauben, das Kastensystem, bestehend aus Brahmanen, Kriegerkaste, Händlerkaste und Arbeitern, gäbe es nur in Indien und nicht außerhalb. Unterschiede in der Gesellschaft sind in allen Ländern zu finden, aber unter anderen Bezeichnungen. Der Brahmane wird in anderen Ländern Priester genannt, die Kshatriyas Soldaten, die Vaishyas Geschäftsleute. Menschen, die die Felder bestellen, werden Bauern genannt. Auf diese Weise sind die vier Unterteilungen in jedem Land zu finden. So wie die Brahmanen von den Hindus respektiert werden, werden die Priester von den Christen respektiert. Die Priester werden eingeladen, Hochzeiten und Rituale durchzuführen. Die vier Unterteilungen existieren in allen Religionen, nur ihre Namen sind unterschiedlich. Die Funktion jeder Unterteilung bleibt dieselbe.
Im Jahre 1885 wurde der Indian National Congress gebildet. Von da an begann die Bewegung für Indiens Unabhängigkeit. Seht, wie viele Spaltungen innerhalb der Parteien in Indien geschehen sind. Ähnlich hat auch die indische Tradition, die auf der Hindukultur beruht, viele Veränderungen erfahren, auf der Basis des Kults eines jeden Gründers. Eine Sekte wurde auf der Grundlage des Manu Dharma gegründet, eine andere auf der Basis des Verhaltenskodex von Shuka. Eine weitere wurde auf der Grundlage von Kautilyas Arthashāstra gegründet und nochmal eine andere auf der Basis des Rechtssystems von Mahārishi Sanaka. Auf ähnliche Weise etablierten Gautama, Bharadvāja und andere ihre eigenen Sekten.
Das Göttliche ist Eines, nur die Methoden der Verehrung unterscheiden sich
Warum sind all diese Veränderungen geschehen? Die Verehrung der Götter und die Religionen ändern sich entsprechend der Zweckmäßigkeit und den Geschmäckern der Menschen und ihrer Denkweise. In Indien lebten in alten Zeiten manche Leute in den Wäldern. Wir bezeichnen sie heute als Stämme. In jenen Tagen gab es unter ihnen keine Streitigkeiten. Sie setzten ihren Glauben in eine Gottheit und verehrten die Gottheiten unter Namen wie Yellamma oder Gangamma, je nach den örtlichen Gegebenheiten. Auch die Rischis gaben der Art und Weise, wie die Stämme ihre Gottheiten verehrten, ihre offene Zustimmung. Die einzelnen Stämme waren durch große Entfernungen voneinander getrennt, denn es gab keine Fahrzeuge oder reguläre Straßen. Ein kleines Beispiel zur Veranschaulichung: Ein Junge trägt ein Hemd. Könnt ihr alle dasselbe Hemd tragen? Für den einen mag es zu weit und für den anderen zu eng sein. Jeder kann sich ein Hemd nähen lassen, das seiner Größe entspricht. Genauso können die Leute ihren eigenen Gott je nach ihrem Geschmack und ihrer Denkweise benennen. Dieselbe Sache nimmt auf der Grundlage des Geschmacks eines jeden verschiedene Formen an. Wenn man diesen Jungen hier fragt, welche Süßigkeit er essen will, wird er antworten, er möge Jilebi. Ein anderer Junge will Mysore Pak essen. Ein Junge aus Punjab mag Burfi, wieder ein anderer wird sagen er liebe Kheer, und der nächste will Jhangri. Jeder hat seinen eigenen Geschmack, aber der Zucker ist allen Süßigkeiten gemeinsam. Obwohl das Göttliche eines allein ist, verehren die Leute es in verschiedenen Gestalten und unter verschiedenen Namen.
Gott wohnt allen Wesen inne
Man sollte die verschiedenen Formen der Verehrung nicht miteinander vergleichen. Die Leute können den Gott ihrer Wahl installieren. Eine Person trägt ein Hemd, eine andere eine lange Jacke und wieder eine andere einen Safari Anzug. Genauso behandeln die Leute dasselbe Göttliche auf verschiedene Weise. Sie behandeln den Einen, als wäre er Viele. Es ist nicht möglich Einheit zu erfahren, ohne sie in Viele aufzuteilen.
Ein kleines Beispiel. Jemand geht auf den Markt und kauft zwei Meter Stoff. Es besteht aus nur einem Stück Stoff. Könnt ihr es so tragen? Der Schneider muss es in passende Stücke zerschneiden und diese zusammenfügen, um ein Hemd daraus zu machen. Der Schneider hat das Eine in Viele umgestaltet und das Viele wieder zu Einem gemacht. Wie erzeugte er die Einheit? Er tat es entsprechend euren Maßen. Der Vorgang, das Konzept des Göttlichen aufzuteilen damit es eurem Geschmack entspricht, ist genauso. Ihr solltet die Aufteilungen jedoch nicht so bewahren wie sie sind, sondern ihr müsst sie zusammenfügen. Der Schneider hat zwei Werkzeuge, eines zum Zerschneiden und ein anderes zum Zusammenfügen. Das, was das Eine in Viele zerteilt, ist die Schere. Das, was das Viele zu einem zusammenfügt, ist die Nadel. Der Verstand (mind) ist die Schere, die das Eine in Viele zerteilt. Die Nadel der höheren Intelligenz (buddhi) fügt das Viele zu Einem zusammen.
Der gesamte Körper des Menschen besteht aus Zellen. Jede Zelle ist für sich selbst eine perfekte Form. Die Nase, die Ohren, die Beine, die Augen und die Hände befinden sich potentiell in jeder Zelle. Das Kind entwickelt sich aus einer Zelle. Würde eine Zelle das Ohr, eine andere die Nase und eine dritte das Bein beinhalten, dann würde das Individuum unregelmäßig geformt. Die Zelle ist in zwei Sektionen aufgeteilt, und diese zwei Sektionen sind zu einer zusammengefügt. Die Hände, die Augen und alle anderen Organe existieren in diesen zwei Sektionen. Manchmal wird die linke Sektion in die rechte umgewandelt und die rechte in die linke. Solche Abweichungen geschehen, wenn die Blutgruppen verschieden sind. Derart ist das Geheimnis der Schöpfung. Was das Linke werden soll wird das Rechte und das Rechte wird das Linke. Wenn das linke Auge an die Stelle des rechten Auges platziert wird, führt das zu einem schielenden Auge. Solche Missbildungen geschehen gelegentlich. Im sechsten Monat fangen die Teile des Fötus an sich zusammenzufügen. Als Erstes entwickelt sich der Kopf, und von da an nimmt der Körper an Größe zu.
Im Zeitalter der Upanischaden betrug die indische Bevölkerung 30 Millionen (3 crore). Beim Eintritt des pauranischen Zeitalters wuchs die Bevölkerung zu 330 Millionen heran. Zu Beginn des modernen Zeitalters betrug sie 780 Millionen, und in den nächsten 15 Jahren wird sie zu einer Milliarde anwachsen. Auch die Anzahl der Gottheiten nimmt entsprechend zu. Das bedeutet, dass jeder Mensch eine Verkörperung des einen Göttlichen ist. In der indischen Tradition ist jeder Mensch Gott. Gott bedeutet nicht die Ankunft des Göttlichen in einer bestimmten Gestalt. Das Göttliche wohnt allen Personen inne. Wenn es heißt, in Indien befänden sich 330 Millionen Götter, bedeutet es, dass die indische Population 330 Millionen beträgt. Gott wohnt allen Lebewesen inne. Deshalb heißt es: Gott ist der Innewohnende – jivo deva sanathana.
– Bhagavans Ansprache in Sai Sruthi, Kodaikanal, am 26. April 1988.
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