„Verschiedene Devotees werden sicherlich unterschiedliche Wege haben, um Gott zu verehren. Aber Hingabe muss, unabhängig von der Methode der Verehrung, zielgerichtet sein. Entwickelt Liebe zu Gott. Liebe zu Gott ist Hingabe. Liebe zur Welt ist Anhaftung. Weiht diese ganze Shivaratrinacht dem Singen des Gottesnamens. Das Leben kann durch Bhajansingen enorm geheiligt werden“, sagte Bhagavan in seiner Shivaratri-Ansprache am 2. März 1992.
Besinnt euch an Shivaratri auf den Gottesnamen
Alle Objekte in dieser Welt können nur durch Namen und Form und nichts anderes erkannt werden. Alle Dinge werden anhand ihrer Namen identifiziert. Die Form wird aus dem Namen abgeleitet. Deshalb ist für alles in der Welt der Name das Vorrangige und Grundlegende.
Die Bedeutung des göttlichen Namens
Der göttliche Name ist sehr kraftvoll. Sogar die wunscherfüllende himmlische Kuh Kāmadhenu kommt unter Kontrolle, wenn sie an einen Pfosten angebunden wird. Ebenso wird der höchste Herr, der Bewohner aller Herzen, an den Devotee gebunden, wenn er durch das Seil der Hingabe (bhakti) gebunden und an den Pfosten der Zunge „gefesselt“ wird. Es gibt nur zwei Methoden, durch die der Herr gebunden oder genossen werden kann, und zwar durch den Namen und durch die Liebe. Der Name kann Rama, Hari, Hara oder irgendein anderer Name sein, denn das alles durchdringende Göttliche ist der Träger aller Namen.
Der Name Rama ist nicht nur auf Dasharathas Sohn beschränkt. Der Atman, der Glückseligkeit schenkt, ist als Rama bekannt. Der Weise Vasishtha gab König Dasharathas Sohn den Namen Rama. Dieser Name symbolisiert die universalen Attribute des Göttlichen, wie Allwissenheit, Allmacht und Allgegenwart.
Der Weise Vālmīki verfasste das Ramayana in hundertMillionen Versen. Er betete zum Herrn, die Verse mögen gleichmäßig unter den Bewohnern der drei Welten aufgeteilt werden. Als die Verse auf diese Weise aufgeteilt und verteilt wurden, blieb ein Vers mit 32 Silben übrig. Nachdem die dreißig Silben gleichmäßig aufgeteilt waren, blieben zwei Silben übrig. Diese zwei Silben sind die Namen des Göttlichen geworden, wie Rama, Hari, Hara und Sai. Menschen eines jeden Landes oder Glaubensbekenntnisses können diese Namen rezitieren. Sie sind nicht ausschließlich auf einen Glauben oder ein Land beschränkt. Jede Person mit einem reinen und liebevollen Herzen kann irgendeinen dieser Namen rezitieren; keine Schuld wird für ihn daraus entstehen.
Die Kraft des göttlichen Namens ist so groß, dass sie sogar Gift in Nektar verwandeln kann. Dies wird durch eine Episode aus dem Leben von Mira veranschaulicht. Sie war eine Königin, ging aber so sehr in ihrer Hingabe an Krishna auf, dass sie ekstatisch sang und tanzte ohne sich bewusst zu sein, ob sie sich im Palast oder einem überfüllten Basar befand. Mira hatte keinerlei Körperbewusstsein.
Ihr Schwager war über dieses Verhalten der Königin an öffentlichen Plätzen erzürnt, denn er verstand nicht das Wesen von reiner Hingabe. Er war der Ansicht, Miras Verhalten würde das Prestige und den Ruf der königlichen Familie verunglimpfen, und deshalb beschloss er, sie aus dem Weg zu räumen, indem er ihr eine Tasse Gift reichte. Mira, die sich mit Herz und Seele Krishna hingegeben hatte, pflegte jede Nahrung erst zu sich zu nehmen, nachdem sie sie Krishna geopfert hatte. Als sie das Gift, das ihr gegeben wurde, ehe sie es trank Krishna darbrachte, nahm der Herr das ganze Gift an und machte es rein. Auf diese Weise demonstrierte Mira der Welt die Kraft des göttlichen Namens und die Herrlichkeit der Hingabe an den Herrn.
Nur sehr wenige in der Welt versuchen herauszufinden, wie der Name entstand, wie er ausgesprochen werden sollte und wie wirksam er ist. Die zuständige Autorität dafür und der Vertreter der Herrlichkeit des Namens des Herrn ist das Bhagavatam.
Yashoda zog nicht in Betracht, wo Balarama und Krishna geboren waren. Sie zog sie als ihre eigenen Kinder auf. Sie waren in Mathura geboren, wuchsen aber in Gokul auf. Sie wuchsen im Leib von Devaki (Vasudevas Ehefrau) heran, lebten und spielten aber in Yashodas Haus. Wenn wir versuchen, die innere Bedeutung dieser Ereignisse zu erforschen, entdecken wir die göttliche Geschichte, die sich in ihnen entfaltet. Balarama und Krishna waren beide in Mathura. Mathura bedeutet der Nabel. Devaki repräsentiert die göttliche Kraft (shakti). Die Namen Balarama und Krishna repräsentieren den göttlichen Klang (nāda), der aus dem Leib der göttlichen Shakti hervorgeht, sich nach Gokul, das den Mund symbolisiert, bewegt, und auf der Zunge spielt, die durch Yashoda repräsentiert wird. Rama bedeutet der, der Freude schenkt, Krishna bedeutet der, der an sich zieht.
So hat der göttliche Name seinen Ursprung im Nabel und seine Heiligkeit sollte bewahrt werden, wenn die Zunge ihn ausspricht. Nāmasmarana, die Besinnung auf den Namen des Herrn, beinhaltet, dass der Name aus dem innersten Sein aufsteigt und dass seine Heiligkeit bewahrt wird.
Der gesamte Kosmos beruht auf der Grundlage des Namens
Im Namen Rama sind die drei Gottheiten Feuer, Sonne und Mond anwesend. Was ist der Ursprung dieser drei Gottheiten? Die Sonne besitzt die Kraft, die Erde aus Millionen von Meilen Entfernung zu versengen. Wer sind die Eltern der Sonne? Sollten sie nicht noch mächtiger als die Sonne sein? Das führt uns zum Feuerprinzip. Feuer kann alles zerstören. Wer sind die Eltern des Feuers? Der Mond ist die Quelle von Kühle und Licht. Wer sind die Eltern des Mondes? Wenn man die Frage nach den Eltern dieser drei mächtigen Wesenheiten stellt, entdeckt man, dass Gott das Elternpaar ist.
Alles ist von Gott gekommen. Gewöhnliche Menschen führen diese grundlegende Forschung nach der Wurzel und Ursache aller Dinge nicht durch. Nichts kann ohne eine Grundlage existieren. Sogar die Wissenschaftler befassen sich jetzt mit dem Versuch, diese Grundlage zu entdecken. Tatsächlich ist der Name die Grundlage, auf der der gesamte Kosmos beruht. Der Name ist die einfachste Methode, um irgendein Objekt oder irgendeine Person zu identifizieren. Deshalb ist der beste Weg, Gott zu erkennen und seine Form zu schauen, durch seinen Namen. Der Name ist immer segensreich.
Jeder Mensch erfährt drei Arten von Nächten. Die eine ist die monderleuchtete Nacht, die zweite die dunkle Nacht und die dritte ist die Nacht, die halb dunkel und halb durch den Mond erleuchtet ist. Außer diesen dreien gibt es noch eine Nacht, die heiliger und einzigartig ist. Es ist Shivaratri, die Nacht Shivas. Es ist die Nacht, die dem Singen des heiligen Namens von Shiva geweiht ist. Es bedeutet, die ganze Nacht sollte der Rezitation des segensreichen Namens von Shiva gewidmet sein.
Gott ist einer und einer allein
Leider halten die Leute in diesem Kalizeitalter die Nachtwache ein, indem sie die ganze Nacht hindurch Filmshows sehen oder Karten spielen oder Schauspiele anschauen. Das kann man nicht Shivaratri nennen. Welches ist die wahre Nachtwache an Shivaratri? Sie besteht darin, jeden Augenblick der Nacht in Gedanken an Gott zu verbringen und seinen Namen zu wiederholen. Das allein ist Shivaratri. Shiva bedeutet segensreich, nicht Ishvara (üblicherweise wird Shiva mit Ishvara gleichgesetzt, A.d.Ü.). Gott hat unzählige Namen. Es besteht überhaupt kein Unterschied zwischen Hari und Hara. Die Unterschiede zwischen beiden Namen wurden von den Anhängern Vishnus und Shivas erzeugt, aber Gott macht keine derlei sektiererischen Unterschiede. Gott ist einer und einer allein. Es mag viele Namen und Formen geben, aber die Göttlichkeit ist eine allein.
Viele Gottesverehrer gehen nach Tirupati. Die Anhänger Vishnus wiederholen den Namen „Venkataramana, Venkataramana!“ und beziehen aus diesem Namen Zufriedenheit. Die Vishnu Anhänger bevorzugen den Namen Ramana, und sie tragen auf ihrer Stirn drei vertikale Linien. Die Anhänger Shivas gehen zum Tirupatitempel und wiederholen den Namen „Venkateshvara! Venkateshvara!“ Sie beziehen ihre Freude aus dem Wort Ishvara und tragen auf ihrer Stirn drei horizontale Linien Vibhuti. Diese Linien sind das Unterscheidungsmerkmal beider Sekten; aber der Herr im Tempel ist ein und derselbe, ob er Venkataramana oder Venkateshvara genannt wird.
Das Bewusstsein (consciousness), das im Körper gegenwärtig ist, wird Gewissen (conscience) genannt. Man sollte den Unterschied zwischen Gewissen und universalem Bewusstsein kennen. Das Gewissen ist eine Widerspiegelung des Bewusstseins. Wenn das Gewissen schließlich den Körper verlässt, geht es in das universale Bewusstsein ein und wird eins damit. Dieser Vorgang kann mit der Vereinigung verglichen werden die stattfindet, wenn die Luft in einem Ballon sich mit der Luft in der Atmosphäre draußen vereint. Das ist der Vorgang, wie die Vielen mit dem Einen verschmelzen. Das individuelle Selbst ist Bhūtātman. Das universale Selbst ist Paramātman. Das individuelle Selbst, das im Körper eingeschlossen ist, gleicht der im Ballon eingeschlossenen Luft. Wenn das individuelle Selbst seine körperbezogenen Anhaftungen aufgibt und universelle Liebe entwickelt, überwindet es die Einschränkungen des Körpers. Es geht in die weite unendliche Liebe ein. Diese Vereinigung wird Mukti, Moksha oder Befreiung genannt. Der korrekte Name für diese Verschmelzung ist Sayujya, Einheit mit dem Universalen. Es ist mit dem Einmünden des Flusses in den Ozean, aus dem es hervorging, vergleichbar.
Die Weisheit Brahmans (brahmajnāna) existiert in jedem
Wenn diese Verschmelzung mit dem Bewusstsein stattgefunden hat, kann dieser Vorgang nicht mehr rückgängig gemacht werden. Das individuelle Selbst ist das Universale geworden, so wie wenn ein Tropfen Wasser in den Ozean gegeben und eins mit ihm wird. Solange das individuelle Selbst an den Körper gebunden ist und seine Trennung vom universalen Selbst aufrechterhält, kann es dem Ablauf von Geburt und Tod nicht entkommen. Aber wenn es seine Getrenntheit abwirft und eins mit dem Allselbst wird, gibt es keine weitere Rückkehr in den Zyklus von Geburt und Tod.
Diese göttliche Weisheit (brahmajnāna) kann nicht aus einer äußerlichen Quelle erhalten werden. Sie existiert in jedem. Wenn die Täuschung der Getrenntheit, die den Einzelnen umhüllt, verschwindet, manifestiert sich das strahlende Bewusstsein. Alles andere Wissen hat mit der äußeren Welt zu tun. Dieses äußerliche Wissen ist nur eine Widerspiegelung des inneren Wesens. Es ist völlig falsch sich auszumalen, man könne die Kenntnis der inneren Wirklichkeit erhalten, indem man die Natur (prakriti) erforscht. Das Allselbst kann nicht durch das Verständnis der Erscheinungswelt erkannt werden. Ihr seid aus dem Allselbst (paramātman) gekommen – diese Wahrheit muss erkannt werden. Der Quell allen Wissens befindet sich in euch. Ein Weiser (jnānin) ist nicht jemand, der eine große Menge an Buchwissen oder Kenntnis des physischen Universums besitzt.
Derjenige ist ein wahrer Weise, der sich des inneren Selbst bewusst ist und dementsprechend lebt. Viele, die ausführliche Abhandlungen über die Herrlichkeiten Gottes geben, führen kein göttliches Leben. Welchen Nutzen hat dann ihr Schriftenwissen? Welches Recht besitzen sie andere zu ermahnen, wenn sie selber das was sie predigen nicht praktizieren? Das war Jesus‘ Botschaft, als er sah, wie eine Frau wegen ihres sündhaften Verhaltens von einer Menschenmenge gesteinigt wurde. Er sagte der Menge: „Wenn irgendeiner unter euch ist, der geistig nicht gesündigt hat, soll er den Stein auf sie werfen.“
Die rechte Weise um Shivaratri zu feiern
Feste wie Shivaratri sind dazu gedacht, die Leute zu veranlassen, segensreiche und göttliche Eigenschaften zu kultivieren. An Shivaratri einer göttlichen Ansprache zu lauschen und die gesamte Botschaft beim Verlassen der Halle zu vergessen ist nicht die Art und Weise, Shivaratri zu begehen. Das könnte man Shavaratri, die Nacht des Todes, nennen.
Der Unterschied zwischen shiva (segensreich) und einem Leichnam (shava) kann anhand des Vorgangs des Atmens und des Aufhörens der Atmung verstanden werden. Der Vorgang des Ein- und Ausatmens vermittelt die Botschaft der Einheit mit Gott – so’ham – Ich bin er. Das Bewusstsein um diese Einheit ist es, was segensreich ist. Wenn dieses Bewusstsein fehlt, stellt sich Unheil (oder Tod) ein.
Das Körperbewusstsein muss völlig verschwinden. Der Räuber Ratnakar wurde zu Vālmīki, dem größten Dichter, der der Welt das Ramayana schenkte, indem er den Körper beim Singen von Ramas Namen völlig vergaß. Er ging so vollständig in der Rezitation des Namens auf, dass er sich des Ameisenhügels, der über ihm wuchs, nicht bewusst war.
Shivaratri ist der Tag, der der Besinnung auf Gott geweiht ist. Dieser Tag kommt nicht nur einmal im Jahr: jede Nacht kann Shivaratri sein. Solltet ihr nicht in der Lage sein, euch die ganze Nacht hindurch auf Gott zu besinnen, reicht es aus, wenn ihr an Gott denkt, ehe ihr zu Bett geht und wenn ihr am Morgen aufwacht.
Wiederum gilt, auf welche Weise ihr auch an Gott denkt, das Ergebnis wird gut sein. Es gibt eine Geschichte, die dies veranschaulicht. Einst nahm ein Vater seinen Sohn mit zum Tempel und gab ihm den Rat, die ganze Nacht im Allerheiligsten Wache zu halten. Nach einiger Zeit nickten der Priester und der Vater beide ein, aber der junge Bursche, der Nachtwache hielt, beobachtete, wie eine Maus wiederholt an einer Frucht und anderen Esswaren nagte, die dort als Gabe für die Gottheit hingestellt waren. Es bekümmerte ihn, dass die Maus das wegknabberte, was für Gott gedacht war. Weil er auf diese Weise die ganze Nacht lang an Gott dachte, wurde sein Leben geheiligt. Aber weder der Priester noch die anderen Leute im Tempel erhielten den Segen der göttlichen Gnade. Wichtig ist, dass Hingabe in irgendeiner Form Ausdruck findet.
Verschiedene Devotees werden sicherlich unterschiedliche Wege haben, um Gott zu verehren. Aber Hingabe muss, unabhängig von der Methode der Verehrung, zielgerichtet sein. Entwickelt Liebe zu Gott. Liebe zu Gott ist Hingabe. Liebe zur Welt ist Anhaftung. Weiht diese ganze Shivaratrinacht dem Singen des Gottesnamens. Das Leben kann durch Bhajansingen enorm geheiligt werden.
Aus Bhagavans Ansprache in der Purnachandrahalle am 2. März 1992.
Quelle: Sanathana Sarathi March 2022
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